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Web-Conferencing verstehen

Kommunikation & Rhetorik

Die soziale Dynamik (Fähigkeit und Form auf Impulse und Veränderungen zu reagieren) in der Bildtelefonie wirkt sich auf die Gesprächsorganisation, das Turn-Taking (Sprecherwechsel) und auf den Einsatz von Back-Channel-Signalen (z. B. Feedback) aus.

Als spezifische Kommunikationssituation stellt eine Webkonferenz (auch Videokonferenz oder Bildtelefonie) mit ihrer ganz eigenen sozialen Dynamik die Teilnehmenden vor besondere Herausforderungen.

Die soziale Dynamik (Fähigkeit und Form auf Impulse und Veränderungen zu reagieren) in der Bildtelefonie wirkt sich auf die Gesprächsorganisation, das Turn-Taking (Sprecherwechsel) und auf den Einsatz von Back-Channel-Signalen (z. B. Feedback) aus. Mitunter nimmt sie sogar Einfluss auf affektive Zustände, also auf unseren Gemütszustand. Sie gibt vor, was geht und was nicht.


Gesprächsorganisation = hoher Grad an Strukturvorgabe

Turn-Taking = muss festgelegt und strikt eingehalten werden

Back-Channel-Signale = stark reduziert | müssen rein körpersprachlich vollzogen werden (Beispiel: Zustimmen/Dabeisein: "das sehe ich auch so!" / "interessant" oder "aha" durch Gestik wie Nicken/Lächeln oder auch Fingergesten)


Einer der wichtigsten Aspekte sozialer Dynamik sind die Bedingungen, unter denen wir etwas wahrnehmen. Aus der örtlichen Trennung der Teilnehmenden einer Videokonferenz ergeben sich automatisch unterschiedliche Voraussetzungen, die zu unterschiedlichen Bewertungen führen können. Hier sei nur der Faktor Uhrzeit und die innere Uhr des Menschen angesprochen. Conferencing zwischen Brisbane und Essen mit einer 8-9stündigen Zeitverschiebung. Es ist nicht sonderlich schwer sich vorzustellen, wie unterschiedlich eingestellt die jeweiligen Teilnehmenden sein werden.

Das Verhaltensrepertoire der Teilnehmenden muss sich den Anforderungen dieser spezifischen Soziodynamik anpassen und entsprechend ausgebaut werden.

Eine erfolgreiche Videokonferenz braucht zunächst klare Verhaltensregeln. Deshalb ist ein (individualisierter) Knigge für die Teilnehmer zielführend.

Technische Pannen können passieren und werden deshalb (je nach Situation) von den meisten akzeptiert. Störendes, ungeschicktes oder gar unprofessionelles Verhalten dagegen stößt eher auf Ablehnung. Zunächst gilt für alle: Wenn Sie sich über die technischen Anforderungen hinaus auch kommunikativ vorbereiten, bestreiten Sie eine Videokonferenz erfolgreich und werden zum echten Teil-Nehmer (Für inhaltliche Gestalter sind die Anforderungen je nach Kontext größer).*

 

Weitestgehend bekannt sollten diese vier wichtigsten Tipps sein:

1) Der Bildschirm & die Linse

Bei einer Videokonferenz stehen Sie als Sprecher/in immer vor der schwierigen Situation: Schauen Sie auf den Bildschirm in das Gesicht Ihres Gesprächspartners, so hat dieser den Eindruck, dass Sie an ihm vorbeischauen. Erst wenn Sie in die Kamera schauen, hat der andere den Eindruck, dass Sie ihm in die Augen schauen. Tun dies beide gleichzeitig, können sie jeweils nicht registrieren, dass sie der andere "ansieht".

Bei einer Videokonferenz ist es also wichtig, dass die Rednerin/der Redner dem Gesprächspartner nicht in die Augen schaut. Das ist sehr ungewohnt, weil wir es im Normalfall gewohnt sind, einander anzublicken.

Platzieren Sie die Kamera direkt über dem Bildschirm. So können Sie das Dilemma Ihrer Blickrichtungen ein bisschen beheben und mit Ihren Augen leichter zwischen Kamera und Bildschirm wechseln. Soll heißen:

> Wenn Sie sprechen – schauen Sie in erster Linie in die Kamera, in die Kamera, in die Kamera.

Wenn Sie zuhören – schauen Sie natürlich viel auf den Bildschirm. Wechseln Sie aber auch immer mal wieder zur Kamera. So unterstützen Sie den Sprechenden und geben ihm das Gefühl, bei ihm zu sein. Dies ist insbesondere für Back-Channel-Signale wichtig. "Daumen hoch" wirkt erst bei Blickkontakt glaubwürdig.

Das Sprechen in die Kamera ist gewöhnungsbedürftig. Wenn Sie unsicher sind, üben Sie.

 

2) Ordnung? Auf jeden Fall!

Bereits in der Grundschule und von unseren Eltern haben wir fundamentale Regeln für das Gelingen von Kommunikation in unserem Leben gelernt: 

Wir haben gelernt, uns namentlich vorzustellen, wenn der andere uns nicht kennt. Wir haben gelernt, den anderen mit seinem Namen anzusprechen. Zum einen, weil es höflich ist, zum anderen, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Und wir haben gelernt mit Handzeichen auf uns aufmerksam zu machen.

Damit Sie sich bei einer Videokonferenz nicht gegenseitig ins Wort fallen, vereinbaren Sie zu Beginn bestimmte Verhaltensregeln, an die sich alle Akteure halten sollen (insb. bei Sitzungen mit vielen Teilnehmenden).

> Wer etwas sagen möchte, signalisiert dies durch ein (Hand-)Zeichen. Sie können zu Beginn auch unterschiedliche Signal-Gesten für verschiedene Motive vereinbaren: Nachfrage/Verständnisfrage, Einwand, Ergänzung, Idee etc. Was immer im Einzelfall Sinn macht. Tipp für große moderierte Konferenzen: Kommunizieren Sie via E-Mail im Vorfeld eine Legende mit den entsprechenden Regeln und Zeichen.

> Wer zu sprechen beginnt wird entweder vorgestellt oder nennt seinen Namen (und nötigenfalls weitere relevante Infos wie Position etc.) selber.

> Wer auf jemanden antwortet oder etwas fragt, nennt die adressierte Person beim Namen.

 

3) Essenz gleich Mehrwert

Auch technische Gegebenheiten sind herausfordernd. Ein angepasstes Sprechverhalten erleichtert allen Beteiligten, dem Thema und den Beiträgen lückenlos und entspannt zu folgen. 

> Bevor Sie sprechen, machen Sie mindestens eine Sekunde Pause (je nach Situation auch bis zu drei Sekunden). So ist es aufgrund von Latenzen (die völlig normal sind) sicherer, dass Gesagtes nicht verloren geht.

> Reden Sie langsam, klar und deutlich und eher etwas lauter als üblich.

> Fassen Sie sich kurz und konzentrieren Sie sich bei Ihren Wortbeiträgen auf das Wesentliche. 

Versuchen Sie es es mal zwischendurch: Alles, was Sie lesen, können Sie auch laut vorlesen. Achten Sie dabei auf Ihr Redetempo, Ihre Lautstärke und Ihre Aussprache. Es hat generell Vorteile, wenn man sich seiner Sprechroutinen bewusst ist und lernt, diese zu beeinflussen.

 

4) Fieeeeep!

Eine Videokonferenz ist sehr anfällig für Störungen. Sie können den Verlauf stark beeinträchtigen, unterbrechen oder sogar lahm legen. Daher ist es wichtig, Vorkehrungen zu treffen und sensibel für mögliche Störfaktoren zu sein.

> Schalten Sie Ihr Mikrofon ab, wenn Sie nicht sprechen. Atemgeräusche, ein Räuspern oder kurze Nebengespräche bleiben so stumm. Zudem vermeiden Sie mögliche Rückkopplungseffekte und Übersteuerungstöne.

> Schränken Sie Ihre Bewegungen ein. Zu viele und zu ausladende Gesten können bei einer eingeschränkten Bildübertragungsrate für Verwirrung sorgen. Ferner können solche Gesten das Auge überfordern und dominant oder aggressiv wirken. 

> Achten Sie bei Redepausen auf Ihr Verhalten. Auch wenn niemand im Raum ist, sind Sie permanent für alle sichtbar (nötigenfalls die Kamera kurz ausschalten)

Soweit das Nötigste kurz zusammengefasst.


*Etwas schwieriger wird es, wenn es um Überzeugungs-Präsentationen, Verhandlungen (insbesondere mit neuen Partnern) oder gar um schwierige Gespräche geht. Hierbei müssen die jeweiligen (grundsätzlichen) Fähigkeiten transferiert und der sozialen Dynamik im Web-Conferencing angepasst werden.

 

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